"America's Dad" nannte man Bill Cosby einst, so bedeutend war der Autor und Entertainer in den USA auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Sein Fall hätte daher kaum tiefer sein können. Losgetreten wurde er durch einen Komiker, der Cosby 2014 während eines Auftritts als Vergewaltiger bezeichnete. Die vierteilige Dokuserie Der Fall Bill Cosby von W. Kamau Bell erzählt von Cosbys einzigartigem Aufstieg und tiefem Fall.
Wer ist Bill Cosby und warum ist er in den USA so bedeutend?
William Henry "Bill" Cosby Jr. ist ein preisgekrönter afroamerikanischer Komiker, Schauspieler und Autor. Geboren 1937, wuchs er in einer Zeit auf, in der in den USA noch Rassentrennung herrschte. Erst mit der Verabschiedung des Civil Rights Acts von 1964 erhielten Afroamerikaner (zumindest auf dem Papier) Gleichberechtigung – und dieselben Chancen, die Weiße ganz selbstverständlich genossen. Dennoch schaffte es Cosby nicht nur, einen Universitätsabschluss, sondern auch einen Doktor in Pädagogik zu machen. Bereits in den frühen Sechzigerjahren feierte Cosby Erfolge als Stand-up-Komiker und Schauspieler. Sein erster großer Hit vor der Kamera war die Serie Tennisschläger und Kanonen (1965 – 1968), die Cosby zum ersten Afroamerikaner machte, der einen Emmy gewann, die höchste Auszeichnung der Fernsehbranche.
Von seinen zahlreichen TV-Produktionen war die weltweit erfolgreichste wohl The Cosby Show (1984 bis 1992), die hierzulande unter dem Titel Die Bill Cosby Show zu sehen war. Die Serie basierte auf einer Idee Cosbys, der auch an den Drehbüchern mitschrieb. Außerdem spielte er die Hauptrolle, die Cosby den Spitznamen "America’s Dad" einbringen sollte: Heathcliff "Cliff" Huxtable ist Gynäkologe, hochgebildet und mit einer erfolgreichen Anwältin verheiratet, mit der er fünf Kinder großzieht und in einem der typischen roten Sandsteinhäuser in Brooklyn, New York lebt. Obere Mittelschicht also, für eine afroamerikanische Familie damals eher ungewöhnlich. Ebenso ungewöhnlich war, dass eine Sitcom über eine afroamerikanische Familie zu dieser Zeit so populär werden konnte, und zwar nicht nur unter schwarzen Amerikanern.
Cosby verarbeitete in der Serie und seiner Rolle als Cliff Huxtable auch seine persönlichen pädagogischen Ansätze und Werte: korrekte Umgangsformen, Fairness, Gerechtigkeitssinn, Gleichberechtigung und eine tadellose Moral. Für die afroamerikanische Bevölkerung wurde Cosby (und Cliff) so zum Vorbild. Sogar fast zu einem Helden, zu dem man aufsah, weil er zeigte, was man als POC ("Person of Colour") alles schaffen kann, wenn man nur dieselben Chancen wie die weiße Bevölkerung bekommt. Gleichzeitig war es unter anderem Cosby zu verdanken, dass Afroamerikaner im US-Fernsehen endlich einmal positiver dargestellt wurden. Die längste Zeit hatten sie vor allem Sklaven, Bedienstete und Kleinkriminelle gespielt, andere Rollen wurden ihnen meist nicht angeboten.
Ein im Rassismus tief verankertes Bild von schwarzen Männern ist das des "black predator", des schwarzen "Raubtiers" – eines Sexualstraftäters, der sich (auch) an weißen Frauen vergreift. Dass ausgerechnet Bill Cosby genau dieses Stereotyp erfüllen sollte, war nicht nur ein Schlag ins Gesicht der afroamerikanischen Community, sondern stellte alles, wofür Cosby bis dahin gestanden hatte, in Frage. Unter anderem um diese Diskrepanz dreht sich die vierteilige Dokuserie We Need To Talk About Cosby. Schon vor ihrer Ausstrahlung in den USA am 30. Januar 2022 ließ Cosby ein Statement veröffentlichen. Darin weist er alle aufgestellten Anschuldigungen von sich und betont seinen jahrzehntelangen Einsatz für Menschen, die aufgrund ihrer Rasse oder ihres Geschlechts diskriminiert wurden – insbesondere derer aus der Unterhaltungsbranche der USA.
Worum geht es in der Dokuserie Der Fall Bill Cosby?
Über die Jahre und Jahrzehnte hatte es immer wieder Frauen gegeben, die Cosby sexueller Übergriffe beschuldigten. Doch diese Anschuldigungen wurden entweder nicht weiter polizeilich verfolgt oder außergerichtlich beigelegt. Auch die Presse machte keine größeren Geschichten daraus. Bis der afroamerikanische Komiker Hannibal Buress Cosby 2014, dem Jahr, in dem die #MeToo-Ära in Bewegung kam, öffentlich als Vergewaltiger bezeichnete. Ein Video davon verbreitete sich schnell im Internet. Cosby wurde so als einer der ersten Prominenten von der MeToo-Bewegung öffentlich an den Pranger gestellt und Teil der "Cancel Culture". Denn es dauerte nicht lange und seine Serien und Shows wurden im Fernsehen nicht mehr gezeigt, Zusammenarbeiten mit ihm gekündigt und Preise wieder abgenommen. Immer mehr Frauen gingen an die Öffentlichkeit: In den vergangenen 60 Jahren soll Cosby gegen über 60 Frauen sexuell übergriffig geworden sein. Wegen mehrerer Klagen stand er vor Gericht und wurde 2018 zu einer Haftstrafe verurteilt, die 2021 wegen eines Verfahrensfehlers jedoch vorzeitig beendet wurde. Dies verhinderte jedoch nicht, dass Cosby auch danach weiterer Taten beschuldigt wurde.
In seiner vierteiligen Dokumentation Der Fall Bill Bosby stellt der Emmy-gekrönte Regisseur und Komiker W. Kamau Bell (United Shades of America with W. Kamau Bell) Cosbys beispiellose Karriere und seinen enormen Einfluss den schrecklichen Taten, derer er beschuldigt wurde und wird, gegenüber. Neben Interviews unter anderen mit Schauspielern wie Doug E. Doug, anderen Komikern, Journalisten sowie Frauen, die von ihren qualvollen Begegnungen mit Cosby berichten, versucht Bell anhand von Archivaufnahmen aufzuzeigen, dass Cosby womöglich schon immer das komplette Gegenteil seiner öffentlichen Persona war. War der Grund für die vermeintliche Blindheit des Falles gegenüber, dass nicht wahr sein konnte, was nicht wahr sein darf? Dass ausgerechnet der moralpredigende, scheinbar integre "Vater der Nation" ein Serienvergewaltiger war?
Regisseur Bell, Jahrgang 1973, ist selbst Afroamerikaner, auch für ihn war Bill Cosby ein Idol und Vorbild. Auch deshalb haderte er zunächst damit, eine solche Dokumentation zu drehen – zumal er bei der Suche nach Interviewpartnern zahlreiche Absagen erhielt. Bell versucht in seiner Dokuserie herauszufinden, was Cosby zu seinen vermeintlichen Taten trieb. Er gibt Einblick die die US-Unterhaltungsindustrie der letzten Jahrzehnte, führt durch die Sozialgeschichte der USA und zeichnet ein eindringliches, aufschlussreiches Bild der US-Gesellschaft des 21. Jahrhunderts.
Der Fall Bill Cosby – Weitere Informationen
Erstausstrahlung
- 30.1.2022, Showtime
Deutschsprachige Erstausstrahlung
- 1.9.2022, RTL+
Regisseur
- W. Kamau Bell
Produktionsland
- USA
Dokuserie
Musik
- Musik von Vernon Reid
Originalsprache (OV)
- Englisch
Staffelanzahl
- Eine Staffel
Episodenanzahl
- Vier Episoden
Länge der Episoden
- 58-60 Minuten
Auszeichnungen
-
Gewinn bei den „Black Reel Awards for Television“ in der Kategorie Dokumentation sowie Nominierungen u.a. für die „Prime Time Emmy Awards“ in den Kategorien Dokumentation/Non-fiction sowie Erzähler, Regie und Schnitt einer Dokumentation/Non-fiction-Sendung
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